Der gemeinsame Feind trägt den Namen 'homo oeconomicus' und ist Freund von Frederick Taylor

StartInsightsArtikel
Der gemeinsame Feind trägt den Namen 'homo oeconomicus' und ist Freund von Frederick Taylor
von
Peter Busse
8
min
November 28, 2022
PDF
Zusammenfassung
  • Das tayloristische Menschenbild des "homo oeconomicus" behindert die gemeinsame Wertschöpfung, da Menschen als billige Produktionsfaktoren betrachtet und ihre kreativen Potenziale untergraben werden.
  • Der Taylorismus hat die Managementlehre maßgeblich geprägt und undenkbare Effizienzgewinne ermöglicht. Unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts erweist er sich jedoch als zunehmend ungeeignet.
  • Die Globalisierung und die digitale Vernetzung haben den Taylorismus an seine Grenzen gebracht und erfordern neue Ansätze, die auf selbstorganisierter Zusammenarbeit und kollaborativer Wertschöpfung basieren.
  • Ein humanistisches Menschenbild betont die Bedeutung von Beziehungen, Freiheit, Verantwortung und persönlicher Entfaltung, um eine effektive Wertschöpfung möglich zu machen.
  • Um die Lern- und Leistungsfähigkeit im Team zu fördern, müssen Führung und Management neu gedacht und Organisationen kundenzentriert gestaltet werden.

Wie das tayloristische Menschenbild des 'homo oeconomicus' der gemeinsamen Wertschöpfung im Weg steht

Die Prämissen, die unseren Entscheidungen zugrunde liegen, bestimmen maßgeblich unser Verhalten. Gehen wir den Ursprüngen unserer Entscheidungsprämissen nach, so stoßen wir unweigerlich auf den Taylorismus, welcher bis heute unser Denken und Handeln sowie die Strukturen unserer gesamten Wirtschaft prägt.

Als “System der wissenschaftlichen Betriebsführung mit dem Ziel, einen möglichst wirtschaftlichen Betriebsablauf zu erzielen”, hat sich der Taylorismus seit seiner Entstehung im Jahr 1910 weit verbreitet. Die Trennung von Denken und Handeln hat im damaligen Umfeld für enorme Effizienzgewinne und damit für Produktivitäts- und Wohlstandszuwächse gesorgt, die zuvor nicht denkbar gewesen wären.

Im dynamisch-komplexen und wettbewerbsintensiven Umfeld von heute ist der Taylorismus hingegen Inbegriff ungenutzter Intelligenz und unterdrückter Kreativität. Bei genauerem Hinsehen entpuppt er sich daher zunehmend als Ursache mangelnder Wirksamkeit und schlechter Entscheidungen. In diesem Artikel werden wir genauer hinsehen.

Der Taylorismus als Grundstein der Managementfunktion

Zur Modernisierung der Arbeitsweise in der Industrie entwarf der Ingenieur Frederick Winslow Taylor um 1900 ein Konzept zur Modernisierung der Arbeitsweise in der Industrie. Taylor führte Management erstmals als Funktion ein, indem er die Planung dem Management vorbehielt und die Ausführung den Arbeitern überließ. Er differenzierte zwischen

  • den Führungskompetenzen, die vom Management wahrgenommen werden sollen und
  • den Durchführungskompetenzen, die bei den ausführenden Mitarbeitern liegen.

Aus diesen Überlegungen in einem industriell-geprägten Umfeld entwickelte sich die Managementlehre als Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre mit dem Ziel, Wertschöpfung effizienter zu gestalten.

Durch die beginnende Globalisierung und die fortschreitende Industrialisierung waren die vorwiegend lokalen Betriebe herausgefordert, fortan effizienter zu arbeiten, um auf breiten, kompetitiven Märkten mitspielen zu können.

Damit einhergehend entwickelte sich eine immer stärker konsumorientierte Gesellschaft, die hoch qualitative Produkte zu bezahlbaren Preisen forderte. Lange konnten Unternehmen darauf mit Effizienzgewinnen reagieren. Der Taylorismus sah zur Erzeugung dieser Gewinne die Trennung geistig anspruchsvoller Arbeit von einfachen manuellen Tätigkeiten vor. Dabei wurde unterstellt, dass durch eine ausgeprägte Differenzierung bzw. vertikale Arbeitsteilung die Produktivität von Prozessleistungen stark gesteigert werden kann.

Vom Taylorismus zur Netzwerk-Ökonomie

Die Marktliberalisierungen Ende der 1970er Jahre führte zu einem Aufbrechen der klassischen Produktionsstandorte. Die massenhafte Verbreitung von digitalen Technologien und die globalen Vernetzungsmöglichkeiten durch die Entwicklung des Internets brachten neue Chancen und Risiken hervor und veränderten den globalen Wirtschaftsraum drastisch. Produktzyklen konnten verkürzt werden und die Märkte wurden wieder deutlich dichter. Mit einem entscheidenden Unterschied: globaler statt lokaler Wettbewerb.

Unter diesen Bedingungen reicht schneller oder günstiger (= effizienter) zu sein immer seltener aus, um erfolgreich zu bleiben. Es muss also um Qualität gehen, die sich nur durch Innovation aufrechterhalten lässt.

Tatsächlich lässt sich aber beobachten, dass mehr vom Gleichen noch immer die Marschrichtung ist obwohl sich zunehmend negative Effekte bei Individuen, Organisationen und in unserer Umwelt beobachten lassen.

In Organisationen zeigt sich dies vor allem durch Desinteresse und Unverständnis für das Endergebnis (beim Kunden) sowie durch die abnehmende Motivation und proaktive Beteiligung der Prozessbeteiligten an der Wertschöpfung. Auf individueller Ebene zeigen sich die negativen Rückkopplungseffekte im Bereich der Bildung sowie mit Blick auf die körperliche, mentale und soziale Gesundheit.

Krisen sind Symptome, die uns die Notwendigkeit einer Systemüberwindung aufzeigen. Unsere Managementsysteme geraten langsam aber sicher an ihre Grenzen, da das zugrundeliegende Menschenbild und daraus resultierende Führungsverständnis nicht den Anforderungen des Marktes und den Bedürfnissen der Kunden entspricht.

Unter zunehmender Komplexität genügt es nicht mehr, bestehende Systeme zu optimieren. Vielmehr geht es um die Frage, was uns in dynamisch-komplexen Umfeld wirklich weiter bringt und wie bestehende Strukturen uns dabei im Weg stehen. Nicht auf die Effizienz, sondern auf die Effektivität kommt es an.

Aus Wirksamkeit resultiert Wirtschaftlichkeit. Der eindimensionale Fokus auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens steht heute jedoch der Wirksamkeit im Sinne der Lern-, Leistungs- und Innovationsfähigkeit im Weg.

Warum ist das so?

Grundlegende Annahmen des tayloristischen Menschenbilds

  • Menschen werden als billige Produktionsfaktoren gesehen.
  • Menschen haben nur primäre Bedürfnisse.
  • Menschen verfolgen nur das eine Ziel, die Befriedigung ihrer primären Bedürfnisse zur eigenen Nutzenmaximierung: „homo oeconomicus“.
  • Menschen werden hauptsächlich durch finanzielle Anreize zur Arbeit motiviert.
  • Menschen haben ein ständiges Bestreben, sich vor der Arbeit zu drücken und die eigene Leistung zurückzuhalten. Der Mensch gilt als Unsicherheitsfaktor im maschinisierten Produktionsprozess.
  • Menschen sind nicht fähig und auch nicht bereit, ihre Arbeit zu planen und nach rationellen Gesichtspunkten zu verrichten. Anstattdessen müssen sie von Managern systematisch zur Leistung angehalten werden.
  • Menschen sind bereit, sich auf passives Verhalten zu beschränken und sich durch Vorgesetzte manipulieren, motivieren und kontrollieren zu lassen.
  • Menschen sind willig und fähig, ihre privaten Interessen und die Interessen des Unternehmens auseinander zuhalten und ihre Gefühle am Arbeitsplatz als Privatsache zu betrachten.
Taylorwanne

Wie uns der Taylorismus heute noch bestimmt und im Wege steht

Der Taylorismus, die daraus resultierenden bürokratisch-hierarchischen Strukturen und deren Nachteile sind heute klar ersichtlich. Wenngleich demokratische, pluralistische und autonome Gedanken in weiten Teilen Westeuropas Einzug erhalten haben, ist der Geist Frederick Taylors noch immer tief in unseren Köpfen verankert. Dass die Mehrheit sich noch nicht von den oft menschenfeindlichen Führungs- und Arbeitsmethoden getrennt haben, zeigt sich insbesondere auf den „verlängerten Werkbänken“ der westlichen Welt. Dort geht Arbeitsteilung meist mit schamloser Ausbeutung einher.

Die „wissenschaftlichen Betriebsführung“ von Taylor war von weltweitem Erfolg geprägt, weil sie mit dem Menschenbild, den Entscheidungsprämissen und den Komplexitätsanforderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts harmonierte.

Mit dem Taylorismus entstand ein Menschenbild, bei dem der Mensch durch ein ökonomisch definiertes Selbstinteresse zur Arbeit von außen motiviert und kontrolliert werden muss. Die Annahme, Menschen würden grundsätzlich versuchen, ihren Arbeitsaufwand möglichst gering zu halten, während sie stets bemüht sind, ihren Lohn zu maximieren, hat bis heute in vielen Köpfen Bestand.

Auch im preußisch geprägten Schulsystem und im daran angeglichenen Hochschulbetrieb ist das tayloristische Menschenbild fest verankert. Das ist deswegen relevant, weil dort ein Großteil des Welt- und Menschenbilds geformt wird. Meist sind wir uns diesen Einflüssen jedoch nicht vollends bewusst. Die eigene Konditionierung steht vielen Unternehmern bei der Entwicklung ihres Geschäfts im Weg, da die Limitierung durch veraltete Glaubenssätze nicht erkannt wird.

Jeder der genauer hinschaut wird erkennen: Leistungskontrollen und Bewertungssysteme dienen auch in der Schule dazu, dass jeder brav auf seinem Stuhl sitzt, sich an die Regeln hält und das tut, was von anderen vorgegeben wird. In einem solchen Umfeld ist Lernen 2. Ordnung unmöglich.

Was ist das Problem dieser Haltung gegenüber anderen Menschen und damit auch gegenüber sich selbst?

  1. Der pauschal angenommene Egoismus und das Mistrauen gegenüber anderen wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Wer jeden seiner Mitmenschen für egoistische Nutzenmaximierer oder sogar Ausbeuter hält, verhält sich selbst früher oder später entsprechend dieser Annahmen.
  2. Das kreative Potenzial von Menschen wird untergraben und dessen Entfaltung wird systematisch verhindert. Wer Menschen das Gefühl gibt, sie müssten kontrolliert werden und dafür sorgt, dass Angst vor Fehlern den Alltag bestimmen, beraubt sie der Fähigkeit und dem Willen eigenständig zu denken und sich gewinnbringend einzubringen.
  3. Die kollektive Intelligenz bleibt ungenutzt und wertvolle Ideen bleiben im Verborgenen. Wenn Menschen sich nicht trauen oder keinen Sinn darin sehen, sich einzubringen, Dinge in Frage zu stellen und Neues auszuprobieren, kann die kollektive Intelligenz nicht genutzt werden.

Ein Alternativvorschlag: das humanistische Menschenbild

Taylor sah Organisationen als Maschinen, die abhängig vom Zusammenspiel ihrer Teile mehr oder weniger effizient in der Lage waren, ein Ergebnis zu erzeugen. Diesem Leitbild nach wurden die meisten Menschen zu Zahnrädern degradiert, die zwar an der Ausführung, aber nicht an der Gestaltung der Maschine selbst beteiligt sein sollten. Im Vordergrund stand die Optimierung des Systems, die durch eine klare Trennung von gedanklicher Konzeption und manueller Ausführung ermöglicht werden sollte.

Auch wenn diese Trennung heutzutage nicht mehr ganz so stark ausfällt und insgesamt viel von der verstärkten Einbindung von Mitarbeitern gesprochen wird, so sind die meisten Unternehmen noch immer meilenweit davon entfernt, dass ihre Strukturen die Integration, Kollaboration und Kooperation von Mitarbeitern ungestört zulassen.

Die meisten Unternehmen halten weiter daran fest, Entscheidungen zentral mit geringfügiger Einbindung der Beteiligten zu treffen. Statt sich in Kundenzentrierung zu üben, arbeiten sie noch immer mit Weisung und Kontrolle als Leitprinzip. Sie.versuchen Menschen zu führen wie Schafe, die ohne sie verloren wären. Und das obwohl ein Großteil der manuellen Tätigkeiten heute bereits von (digitalen) Automatisierungstechniken übernommen werden kann und der Innovationsdruck weiter steigt. Doch wo sollen die Ideen herkommen und wie soll aus ihnen Innovation erwachsen?

Das implizite Wissen und das kreative Potenzial, das den Mitarbeitern innewohnt und durch die gemeinsame Arbeit in einem dafür geeigneten Rahmen erst richtig entfaltet wird, wird meist unzureichend erkannt und bleibt folglich ungenutzt.

Genau hier liegt der Schlüssel zur (digitalen) Transformation vergraben: Nicht die Digitalisierung bestehender Strukturen, sondern die Freilegung individueller und kollektiver Intelligenz machen den Unterschied.

Statt den Mensch als Zahnrad einer Maschine zu sehen, dürfen wir uns daran erinnern, dass es sich beim Menschen um einen dynamischen und außerordentlich komplexen Organismus handelt, dem man seine Lebendigkeit nicht entziehen kann. Gehen wir auf die Suche nach den Dingen, die uns als Mensch, als Organisation und als Gesellschaft im Inneren zusammenhalten, stoßen wir schnell auf gänzlich andere Antworten.

“Das humanistische Menschenbild begreift den Menschen als ein beziehungsorientiertes, freiheits- und entscheidungsfähiges, verantwortungsvolles, bildsames und nach persönlicher Entfaltung strebendes Wesen.”

Beweise dafür, dass Menschen nach Respekt, Akzeptanz, Gemeinschaft und gemeinsamen Werten suchen, gibt es genügend. Dennoch gehen viele Menschen grundsätzlich davon aus, dass die persönliche Nutzenmaximierung das primäre und vielleicht einzige Motiv des Menschen darstellt. Jeder gegen jeden. Zahn um Zahn.

Für die meisten Menschen jedoch ist “ein sinnvolles Leben zu führen" wichtiger als Geld, Macht und Status. Vielmehr streben wir nach einem Gefühl der Zugehörigkeit. Diese Verbundenheit steht im klaren Widerspruch zu den grundlegenden Annahmen, die der tayloristisch geprägten Wirtschaftstheorie zugrundeliegen.

Wir schlagen vor, das eigene Menschenbild zu reflektieren und gegebenenfalls ein umfassenderes Verständnis des Menschen zu entwickeln um …

  • Führung und Management so zu erneuern, dass Selbstorganisation möglich wird.
  • Organisationen menschenzentriert zu gestalten, sodass sich jeder im Sinne der Wertschöpfung einbringen kann und dies auch möchte.
  • kundenzentrierte Geschäfts- und Markenstrategien entwerfen zu können, mit denen die richtigen Menschen erreicht werden.
Wie wir Dich auf dem Weg vom Qualitätsdienstleister
zur einzigartigen Marke unterstützen können:
  1. Business & Brand Discovery: Wir schaffen Klarheit im Innen und im Außen. Aus einem geteilten Verständnis von Wertschöpfung und Dynamik erwachsen neue Möglichkeiten, um miteinander zu lernen und zu leisten.
  2. Business & Brand Strategy: Um die richtigen Menschen für die Marke zu gewinnen und die Zukunftsfähigkeit des Geschäfts zu sichern, sorgen wir für unverwechselbare Angebote, kundenzentrierte Wertschöpfung und effektive Vermarktung.
  3. Business & Brand Evolution: Auf Basis der radikal kundenzentrierten Strategie befördern wir nachhaltiges Wachstum durch die Entwicklung menschlicher Potenziale, digitaler Lösungen und dynamikrobuster Strukturen.

Wenn Du bereit bist, buche Dir einen Termin für ein kostenfreies Beratungsgespräch und finde heraus, welche Potenziale darauf warten, von dir erschlossen zu werden.

Peter Busse

Hallo, mein Name ist Peter Busse und ich begleite Geschäftsinhaber und ihre Team auf dem Weg vom professionellen Dienstleister zur einzigartigen Marke. Auf Basis kundenzentrierter und identitätsstiftender Strategien fördern wir die Lern- und Leistungsfähigkeit inhabergeführter Unternehmen. Wir eröffnen neue Freiheits- und Wirkungsgrade bei der Wertschöpfung und sorgen dafür, dass Qualitätsdienstleister für das gesehen und erinnert werden, was sie wirklich auszeichnet.

Seit ich denken kann, beschäftigt mich die Frage was exzellente Dienstleistung bedeutet. Seit etwa 5 Jahren bin ich als lernender Berater in strategischen und gestalterischen Kontexten unterwegs, um Antworten auf relevante Fragen zu finden. Dabei widme ich mich der übergreifenden Frage, wie eine gesunde Entwicklung von Mensch, Marke und Organisation wirksam befördert werden kann.

Ich bringe ein breites Verständnis verschiedener Themenfelder mit, um mit Empathie und Weitsicht Ergebnisse für unsere Kunden zu erzielen. Erst die Kombination aus Wissensbreite und Wissenstiefe erlaubt es uns, komplexe Zusammenhänge zu durchdringen, um strategisch und gestalterisch wirksame Entscheidungen mit und für unsere Mitarbeiter, Kunden und Partner zu treffen.

Business & Brand
Newsletter abonnieren

Spannende Insights zur Entwicklung und Transformation von Menschen, Marken und Organisationen in einer zunehmend digitalen Welt.
Trage dich jetzt ein.